Erik Pojar

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Erik Pojar wurde 1973 geboren. Er absolvierte eine Höhere Technische Lehranstalt und schloss danach ein Informatikstudium an der Technischen Universität Wien ab. Erik arbeitete bei Rockstar Vienna und gründete später Team Vienna. 2010 wechselte er zu Greentube, verlies das Unternehmen aber wieder 2014 um bis vor kurzem als CTO bei Socialspiel mitzuwirken.
Das Interview wurde am 7. Jänner 2017 in einem Skype-Gespräch aufgenommen.

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Was war deine Motivation dich für die Spielentwicklung zu engagieren?

Ich habe relativ spät, so mit 12 / 13 Jahren, begonnen, mich für Computer zu interessieren. Zu dem Zeitpunkt hatte ich zu Hause einen C64 bekommen und habe damit ein bisschen programmiert. Das hat mich motiviert, dass ich die HTL Donaustadt besucht habe und dort habe ich dann erst so richtig programmieren gelernt. Ich hatte das große Glück, das ich einen sehr guten Programmierlehrer hatte der in der zweiten Klasse so eine Art Experiment gestartet hat. Eigentlich hätten wir C gelernt, wir haben stattdessen aber Assembler gelernt. Das ist bei mir so richtig auf den Sweetspot gefallen, weil ich auf dem C64 immer gerne Computerspiele gespielt habe. Mich hat interessiert wie das funktioniert und wollte das selber programmieren. Damals, so zirka 1988, da waren die Computer noch so arschlangsam, das kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen. Wenn du nicht in Assembler programmiert hast, warst du sowieso schon chancenlos, außer du hast Text Adventures gemacht. Und das hat mir irgendwie ganz gut gefallen. Man muss auch sagen, die ganzen Computer waren viel einfacher. Wenn du Assembler programmiert hast und du hast eine bestimmte Speicheradresse beschrieben, dann ist ein Pixel am Bildschirm erschienen. Dadurch war man mit relativ geringen Mitteln schon produktiv und konnte was machen. Es war auch wiederum ein Glücksfall, dass unser Programmierlehrer einen Wettbewerb für den schnellsten Bresenham-Linienalgorithmus gemacht hat. Das ärgert mich bis heute, dass ich dafür den zweiten Platz belegt habe und nicht den Ersten. Wir haben auch damals in der Schule auf einem Amiga immer diese Demos angeschaut. Die Demoszene war ja Ende 80er, Anfang 90er in Skandinavien sehr verbreitet. Ich habe dann aber gesagt, ich möchte am PC programmieren. Es gibt da sogar ein paar Frühwerke von mir, mit denen ich den Peter (Melchart) quasi verarscht habe. Peter und ich haben immer gemeinsam programmiert, ich am PC, er am Amiga, und er hat immer gesagt, dass das am PC nicht geht. Ich hab mich dann aber hingesetzt und hab das mehr oder weniger gut am PC nachprogrammiert. In dieser Zeit waren die Demo-Programmierer eigentlich der Spieleindustrie wirklich voraus. Und die Motivation war mehr oder weniger, naja jetzt zeigen wir halt einmal der Spielindustrie, wie man wirklich Spiele programmiert. Ich war auch in einer Demogruppe, die hieß Surprise! und war eine Art Unterlevel von Red Sector. Peter Baustädter, der auch dieses berühmte TRSI-Logo gezeichnet hat, hat für unsere Demos auch die ganzen Grafiken gemacht. Über ihn haben wir dann auch den Hannes (Seifert) kennen gelernt. Dem habe ich dann auch bei der Programmierung von der PC-Version von Whale’s Voyage geholfen. Man kann sagen das ich durch diese Grafik-Demos in die Spieleprogrammierung hineingerutscht bin, weil mit das Thema Grafik eben immer schon interessiert hat.

Was hat dir die größten Schwierigkeiten bereitet, als zu begonnen hast an Spielen zu arbeiten?

Ich hatte keine Schwierigkeiten. Rückblickend betrachtet ist es natürlich heutzutage viel, viel einfacher an Informationen zu kommen. Ich habe heute noch eine Schuhschachtel mit alten Briefen, die ich in der ganzen Welt herumgeschickt habe oder die mir geschickt worden sind. So haben wir uns gegenseitig irgendwelche Tricks über die Registerbelegung geschickt. Man muss aber auch sagen, die Systeme waren viel einfacher. Es gab nicht so viele Hindernisse und Kompatibilitätsprobleme wie heutzutage. Du bist in einem Betriebssystem, das unglaublich komplex ist, dass unter Umständen in einer virtuellen Maschine läuft oder mit anderen Treibern und musst Multiprozessoren verwenden. Alleine wie viele Layer deine Bytes durchgehen, wenn du die über HTTP-Requests schickst. Jedes dieser Dinge kann auf subtile Weise schiefgehen. Die Informationen waren damals zwar nicht so zugänglich, dafür waren aber auch die Probleme insgesamt kleiner. Prototype habe ich zum Beispiel alleine in drei Monaten programmiert. Das war für die damalige Zeit aber auch ein ansehnliches Spiel. Das habe ich sogar noch in Assembler programmiert. Ich habe mir zwar immer gesagt, dass ich es irgendwann mal in C mache, aber bevor ich mit der Programmierung in C überhaupt begonnen hatte, da war es dann auch schon fertig. Es gibt heutzutage zwar auch Spiele, die in drei Monaten fertig sind, aber wenn so ein Spiel in den Charts ist, hat das nicht nur eine Truppe von 3 Leuten programmiert. Ein paar wenige glückliche Ausnahmen gibt es immer, zum Beispiel Blek von den Konabi Brothers, aber so etwas ist doch sehr selten.

Was unterscheidet für dich einen Spielentwickler von einem „traditionellen Softwareentwickler“?

Da fällt mir eine kleine Anekdote ein, die indirekt schmeichelhaft ist. Ich war auf einer Konferenz, die C und C++ Users Conference in England. Dort haben wir den Herb Sutter und auch den Bjarne Stroustrup getroffen. Herb Sutter hat uns dann gefragt was denn wir so machen und wir haben halt gesagt, dass wir Computerspiele programmieren. Er hat dann gleich so aufgesehen, gerade noch so, dass er sich nicht auf den Tisch stellt und ruft, dass hier wirkliche Programmierer sitzen. Also der Unterschied ist, im Normalfall wirst du als Spieleprogrammierer in einem Umfeld sein, in dem du die Hardware, also deine Plattform auf der das Spiel läuft, an seine Grenzen bringen willst. Es ist zwar nicht überall so, aber gerade die guten Spiele, über die man spricht, die sind grafisch besonders aufwendig, mit besonders schönen Animationen, sehr flüssig und reizen einfach das technisch Machbare aus. Das hast du in einer Business Software natürlich nicht. Da sind die Anforderungen auch ganz andere. Bei einem Spiel gehst du schon mit der verrücken Anforderung her, ein Spiel zu machen, welches von der Realität nicht mehr unterschieden werden kann. Man beschäftigt sich da halt wirklich sehr viel mit der Hardware und Performance. Im Mobilbereich gilt das genauso, da willst du dann vielleicht 500.000 Benutzer gleichzeitig bedienen. Wenn ich da an die Software denke, die die Sozialversicherungsanstalten verwenden, da gibt es sicher keine 500.000 gleichzeitigen Benutzer, da es ja nicht mal so viele Ärzte gibt. Es gibt bestimmt andere Bereiche die technisch anspruchsvoll sind, aber eben auf eine andere Art. In der Automobilindustrie wird Wert auf Realtime-Software gelegt. Wenn du einfach so Wald- und Wiesen-Programmierer wirst und irgendwo an einer Bankensoftware arbeitest, da sind höchstens hohe Security-Anforderungen gefragt. Da müssen Spieleprogrammierer wieder nicht so weit vorne sein. Wir wollen zwar auch das niemand unsere Spiele hackt, aber da steckt eine ganz andere Motivation dahinter.

Welches war dein liebstes Projekt in der Vergangenheit und wieso?

Ich weiß nicht, ob ich wirklich ein Liebstes rauspicken kann. Die Portierungen von Max Payne waren natürlich sehr schön. Auch Prototype, eigentlich auch die Flugsimulatoren die ich für das holländische Militär geschrieben habe. Auf Max Payne 2 bin ich am stolzesten. Wir haben zwar schon an Max Payne 1 mitgearbeitet, da haben wir aber nur die Xbox-Version gemacht. Rockstar Torronto hat das Spiel für die Playstation 2 möglich gemacht und wir haben dann nur von dort die Änderungen übernommen. Die Playstation 2 hatte nur 32 Megabyte Speicher und da das Spiel hineinzuquetschen war eine Herausforderung. Bei Max Payne 2 hat es aber geheißen, das wollen wir eben auch für die Playstation machen. Das Spiel ist aber nochmal deutlich größer geworden, deutlich höher auflösende Grafiken, ein Level länger und so weiter. Bei Max Payne 1 haben wir die Anforderungen erfüllt, indem wir die Levels in 2 oder 3 Abschnitte unterteilten und diese Mini-Level wurden dann während des Spiels nachgeladen. Bei Max Payne 2 hätte das einfach nicht funktioniert, da hätten wir nach jedem Raum nachladen müssen. Wir haben das dann lösen können, indem wir das Spiel wie ein Open World Spiel gemacht haben. Es wurden ununterbrochen neue Assets nachgeladen. Wir haben dann auch noch die Render-Engine gewechselt und der Jakkoo (von Remedy) hat noch 3 Wochen vor Ende der Arbeiten das Lightning-Modell umgestellt. Und wegen all dem bin ich auf meine Arbeit an Max Payne 2 am stolzesten.

Würdest du rückblickend die gleichen Entscheidungen bezüglich deiner Karriere treffen oder doch irgendwo eine andere Entscheidung treffen?

Ja, ich würde etwas anders machen. Ich habe über die Jahre immer weniger programmiert. Bis auf ein Projekt jetzt bei Socialspiel habe ich fast nichts mehr programmiert. Und mit dem kämpfe ich im Moment ein bisschen. Es gibt immer diese Abwägung zwischen dem was dir Spaß macht und dem womit du Geld verdienst. Die Gehälter für Programmierer sind in den letzten zehn / 15 Jahren nicht gestiegen, vielleicht sogar gesunken. Meiner Meinung nach verdient man als Spieleprogrammierer zu wenig, speziell in Österreich. Wenn man bedenkt, dass man im Normalfall dafür studieren muss und sich dazu noch stark spezialisieren muss, verdient man wirklich zu wenig. Mich hat es aber auch immer ein bisschen zur Verantwortung hingezogen, weil es mich wurmt wenn irgendetwas nicht so läuft, wie es laufen könnte. Andererseits bin ich auch einfach geldgeil, aber wieder nicht geldgeil genug das ich für Banken arbeite, wo ich noch mehr verdienen könnte. Ich habe versucht mein Umfeld zu optimieren und das heißt mehr Verantwortung zu übernehmen. Du wirst dann Lead-Programmierer, Projektleiter oder irgendwas anderes. Das rückt dich dann aber auch von den tagtäglichen Programmier-Dingen weg.

Welches österreichische Spiel hat deiner Meinung nach großen Einfluss auf die Entwicklung des österreichischen Spielmarktes gehabt und wieso?

Man kann das an ein paar Firmen aufhängen. Für mich war Neo Software der Anfang. Dann hat es noch Max Design, JoWood und Sproing gegeben und in letzter Zeit zergliedert sich das alles. Ich würde aber sagen das der Industriegigant von JoWood hervorsticht. Es gab damals diese Zeit, in der Spiele begonnen haben auf dem Radar der Medien aufzutauchen. Da hieß es dann, schau mal, diese Firma aus Oberösterreich ist richtig groß und auch noch Publisher. Ich bin aber eigentlich in der Hinsicht ignorant, weil ich mich in der Szene nicht besonders gut auskenne.

Ist es deiner Meinung nach zurzeit leichter oder schwieriger als vor, sagen wir mal 20 Jahren in die österreichische Spielebranche einzusteigen?

Ich glaube, dass es leichter ist. Wenn du dich für das wirklich interessiert, dann sind mittlerweile soviele Ressourcen zugänglich. Dann lädst du dir einfach Unity oder die Unreal-Engine runter und kannst mit relativ geringen Aufwand in relativ kurzer Zeit etwas produzieren, dass einem Spiel nahe ist. Das ist schon mit wenig Vorwissen möglich. Das hat natürlich auch den Effekt, dass wenn ich Bewerber interviewe, zeigen mir die Bewerber fertig programmierte Spiele, können aber nichtmal den Unterschied zwischen einem Vektor und einer Liste schlüssig erklären. Im Grunde ist das nur ein Indikator, dass man heutzutage nicht mehr so viel wissen muss, weil die Engines so stark sind, dass sie dir sehr viele Fehler verzeihen. Wenn du es selber lernen willst, hast du soviele Ressourcen wie Stackoverflow oder Tutorials und Assets kannst du dir aus dem Asset-Store herunterladen. Auch gibt es viel mehr Firmen als früher und Ausbildungsstätten wie FHs, Unis und HTLs.

Wohin glaubst du wird sich die Spielebranche, speziell in Österreich und international weiterentwicklen?

Meiner Meinung nach wird die Spielebranche in Österreich noch eine Zeit lang ein bisschen kleinere Brötchen backen. Es spricht aber auf der anderen Seite im Grunde nichts dagegen, dass jetzt irgendwann einmal ein kleineres Studio in Österreich einmal wirklich wieder alles richtig macht und so etwas wie Clash of Clans macht und richtig Geld verdient. Ich habe das Gefühl, dass im Moment sozusagen viele Spielefirmen in Österreich nicht so wahnsinnig viel Geld verdienen, auch bei uns bei Socialspiel. Uns geht es gut, aber es ist nicht so, dass wir irgendwo einen geheimen Tresor haben und im Geld schwimmen. Über Sproing brauchen wir gar nicht reden. Also ich glaube eher, dass es eher viele kleine Projekte in der nächsten Zeit in Österreich geben wird, so mobile Sachen. Und wer weiß, wenn dann eines davon erfolgreich ist, dann kann es ja den Nukleus für was Größeres legen. Das zweite große Thema ist VR, das könnte auch wieder dasselbe sein. Wenn du eine gute Idee hast oder in einem Wachstumsmarkt früh genug dran bist, dann kannst du auch da einen ordentlichen Erfolg haben. Freunde von mir arbeiten auch in den Bereichen Augmented Reality, welches sich auch an VR anlehnt. Aber auch die Leute bei Mi’pu’mi haben an Hitman mitgearbeitet. Das ist zwar ein sehr respektables Spiel, aber es ist ein Unterschied ob du an einem Spiel mitarbeitest oder ob du einen Publisher oder sonst einen Geldgeber überzeugen kannst, dir einen 150 Millionen Titel zu finanzieren und dass der dann auch Geld verdient.

Was für Fähigkeiten muss deiner Meinung nach jemand besitzen, um in der Spielentwicklung arbeiten zu können?

Spielentwicklung ist ja eigentlich ein weit gefächertes Feld. Man braucht Grafiker, Musiker, Animatoren, Skripter, Game Designer, Programmierer. Ich selbst habe in erster Linie Sicht auf die Programmierung und da musst du gut programmieren können. Du solltest einfach möglichst viel ausprobieren, Spiele in Unity oder für Android programmieren. Dich ein bisschen mit den Backend beschäftigen und sich Cloud Services anschaun. Es fühlt sich für so Dinosaurier wie mich diese ganze Transition in die Cloud, wenn der Sourcecode am Server oder auf Git gelagert wird, wie ein Fremdkörper an. Im Grunde sind das alles auch Sachen die die Einstiegshürde erleichtern. Da kannst du mit zwei Freunden ganz schnell ein neues Github-Projekt anreißen und hast easy-peasy was auf den Beinen. Mein Tipp ist, probier viel aus. Wir haben immer mit dem „Not invented“-Syndrom gekämpft. Viele hätten am liebsten die Grafik-Engine selber programmiert. Das ist aber im Normalfall nicht mehr zeitgemäß. Das Ganze ist eh komplex genug, um da gute Spiele mit Multiplayer, mobil, vernetzt, In-App-Purchases, Achievements und das alles zu machen. Damit hast du schon genug zu tun und sollst nicht dein Problemfeld unnötig vergrößern.

Würdest du jemanden der Spiele entwickeln möchte, empfehlen in Österreich zu bleiben oder auch international nach Möglichkeiten zu suchen?

In Amerika verdient er mehr, aber das ist meiner Meinung nach mit so vielen anderen Dingen vernetzt. Ich selbst bin vor ein paar Tagen 44 Jahre geworden und bin auch nicht mehr so abenteuerlustig wie früher. Mit Donald Trump hat das gerade seinen Höhepunkt gefunden, aber auch schon die Jahre davor ist Amerika für mich immer unattraktiver geworden, obwohl ich eine Doppelstaatsbürgerschaft habe und dort jederzeit arbeiten könnte. Wenn du Geld machen willst, dann gehe in die Bay-Area. Dort zahlen sie dir Löhne, dass du nur so mit den Ohren schlackerst, aber du musst auch gut sein.

Im Dezember 2006 als Rockstar Vienna geschlossen wurde, standen viele Entwickler buchstäblich am Tag darauf auf der Straße. Aber das markiert aber zugleich einen Beginn einer Ära von vielen Start-ups. Wie hast du diese Zeit des Umschwungs wahrgenommen?

Für mich persönlich war das schon sehr interessant, weil ich zu der Zeit Urlaub hatte. An dem Tag ruft mich in der Früh mein Arbeitskollege an und sagt, pass auf Erik, das ist jetzt kein Spaß, die haben die Firma zugesperrt. Ich war gerade in meinem Haus und habe gerade den Boden verlegt, Parkett aus Tropenholz. Ich habe nur gesagt, scheiße - wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Laminat gekauft. Auf der anderen Seite habe ich mich dann eigentlich gewundert, wie schnell wirklich von der ganzen Welt Leute gekommen sind und uns kontaktiert haben. Da ruft dich auf einmal jemand aus Australien an, wo du dir denkst, Alter – woher weißt du das wir zugesperrt haben und woher hast du meine Privatnummer? Es stimmt schon, es war ein großer Schock, aber es ist meiner Meinung nach aus Sicht von Rockstar nicht ganz unbegründet gewesen. Aber die Art, wie sie das gemacht haben, das war halt wirklich ein bisschen Mafiastyle. Für die Leute, die in Wien geblieben sind, hat es wirklich einen Haufen Möglichkeiten gegeben. Es war zwar ein großer Schock, aber ich persönlich war jetzt nicht so wahnsinnig betroffen. Gleichzeitig war es auch schön zu sehen, wie sehr man doch wertgeschätzt wird. Da hat jemand gesehen das Talent freigeworden ist und hat reagiert.

Du hast dich bereits relativ früh mit Mobile Games befasst, unter anderem hast du ja bei Hybrid Graphics an einer Grafik Engine für Handys gearbeitet. War für dich damals schon klar, dass Mobile Games quasi einmal der Hauptfokus von Videospielen werden?

Als ich zu Hybrid gegangen bin, war mir das noch nicht klar. Mein Leben ist von absurden Zufällen bestimmt, aber man darf nicht vergessen, das war noch bevor das erste iPhone rausgekommen ist. Natürlich hatte jedermann damals schon ein Handy, da hatte jeder so eine Nokia Gurke. Die Sachen, die wir für Hybrid programmiert haben, sind auf den Nokia High-End Dingern gelaufen, also auf dem Nokia 920. Insgeheim habe ich mir gedacht, wer kauft sich denn schon so ein komisches Handy. Das war groß und es hat versucht ein Computer zu sein, aber auch nicht wirklich. Das mit Hybrid war mehr ein Zufall, weil das sind Burschen die auch früher Demos programmiert haben in Finnland. Zu denen bin ich raufgefahren, ich habe eine gewisse Affinität zu Finnland gehabt, weil Max Payne ist ja aus Finnland und wir waren ein paar Mal dort. Wir haben alte Demo-Programmierkollegen getroffen und haben darüber gesprochen: „Kannst du dich noch erinnern in der einen Nacht, wie wir uns so betrunken haben und nicht mehr gewusst haben, wie der Clipping-Algorithmus funktioniert?“ und dann sind wir gemeinsam in die Sauna saufen gegangen. Sie haben dann gesagt, sie haben ein interessantes Projekt, wir sollen da mitarbeiten. Das war auch ein irrsinnig angenehmer Deal. Wir haben gesagt, okay, wir wollen für euch arbeiten, aber wir wollen nicht nach Finnland ziehen. Die haben uns dann ein Büro in Wien gemietet und alles gezahlt, dass war irsinnig nett von den. Und erst ein Jahr danach ist das erst iPhone rausgekommen und dann hat es bei mir eigentlich noch eineinhalb Jahre gedauert, bis ich so richtig realisiert habe, dass das der Hot New Shit wird.

Bist du der Meinung, dass sich kleine Entwicklerstudios gut mit der Entwicklung von Mobile Games kombinieren lassen?

Ja, sicher. Es ist immer noch so, dass ein Mobile Game weniger Aufwand macht als ein PS4 oder XBOX Spiel. Als kleines Studio kannst du meiner Meinung nur Indiegames und Mobil Games machen.

Was hast du aus deiner Zeit aus der / an der TU Wien für die Spielentwicklung mitgenommen?

Ich finde die Ausbildung am CG-Institut grundsätzlich nicht schlecht. Ich weiß nicht wie es jetzt ist, aber vor 20 Jahren waren die AlgoDat-Vorlesungen noch am CG-Institut und die sind meiner Meinung ein ganz wesentlicher Teil des Studiums. Vielleicht auch noch Numerische Mathematik, Compilerbau und Mathematik. Am CG-Institu selber habe ich zu der Zeit nicht sehr viel gelernt. Der Peter (Melchart) und ich haben damals die CG-Übung mehr oder weniger im vorbeigehen gewonnen. Ich war generell etwas vom Studium enttäuscht, dass es nicht ein bisschen mehr Hardcore ist. Das war damals sogar die ärgste Ausbildung, die ich Österreich machen konnte. Ich habe dann auch das Freifach Virtual Reality belegt und an diese Prüfung kann ich mich noch genau erinnern. Bei der Prüfung sitzt ein Kommilitone neben mir und der Prüfer fragt ihn, was eine Texturemap ist. Der Prüfling fing dann ernsthaft an nachzudenken und herumzureden, so als ob es ihm nur kurz entfallen wäre aber ihm sicher gleich einfallen würde. Da bin ich dann dagestanden mit offenem Mund und dachte, was machst du in dem Fach? Raus mit dir. Der hat dann einen Dreier bekommen und ich habe danach noch mit dem Professor darüber unterhalten und der hat gesagt, wenn er die Leute so bewerten würde, wie er das für richtig hält, würden 90% einen Fetzen haben. Ich habe auch einmal mit einem Professor gestritten, weil der meinte, dass man kein Z-Clipping bräuchte, weil es ja so unwahrscheinlich ist, dass ein Vertex genau in den Nullpunkt kommt und es dadurch zu einer Division durch null kommt. Da habe ich mir auch nur gedacht: „Geht‘s noch?“. Aber in letzter Zeit habe ich auch wirklich gute Papers gesehen.


Hannes Seifert

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Hannes Seifert wurde 1971 geboren. Er absolvierte die Matura an einem Realgymnasium. Danach begann er ein Informatikstudium, welches er aber wegen der Gründung von neo Software abgebrochen hat. Zurzeit leitet er das dänische Entwicklerstudio Io-Interactive. Hannes hat unter anderem bei Silverbyte und Max-Design an mehreren Titeln gearbeitet, bis er 1993 neo Software mitgegründet hat.
Das Interview wurde am 13. Dezember 2016 in einem Skype-Gespräch aufgenommen.

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Was war deine Motivation dich für die Spielentwicklung zu engagieren?

Ich war früh schon als Kind immer ein begeisterter Spieler. Ich hatte meinen ersten Kontakt mit Videospielen mit den Arcades gehabt. Es war damals glaube ich im Freibad, wo ich das erste Mal Asteroids gespielt habe, dieses uralte, Rasterstrahl Spiel, in dem man Asteroiden abgeschossen hat. Und da ist die Faszination dafür relativ früh gekommen, auch durch die ersten Mattel Handheld-Konsolen, diese Spielzeugdinger, die es in den Siebzigern gab. Das hat mich schon immer fasziniert. Und als ich dann den ersten Kontakt mit Computern hatte, da war es eigentlich (lacht) dann schon geschehen. Der erste war ein Texas Instruments 44A. Das war in einem Supermarkt, den konnte ich mir damals nicht leisten. Als Kind war ich immer so ein bisschen auf der kreativen Seite, mich hat Technik und Kreativität fasziniert. Und ich habe acht Millimeter Filme gedreht, Comics gezeichnet und Geschichten geschrieben, und alles Mögliche, was man halt so als Kind herumgespielt hat. Mein erster Computer war ein VC-20, das war der Vorgänger vom Commodore 64. Mit dem habe ich dann Programmieren gelernt, obwohl ich ihn anfangs eigentlich für meine Filme verwenden wollte. Dann bin ich relativ schnell draufgekommen, dass das Medium Computerspiel mich interessiert und das war 1984, als ich damit begonnen habe. Anfangs nicht mit Spielen aber mit Computern und dann habe ich mich relativ schnell mit der Grafik und Technik auseinandergesetzt. Und damals waren natürlich auch die technischen Ansprüche ganz andere. Diese Rechner waren ziemlich minimalistisch. Der VC-20 hatte 3,7 Kilobyte Hauptspeicher. Und da habe ich relativ schnell Assembler und Maschinensprache lernen müssen, um damit überhaupt irgendwas zu machen. Und so bin ich in das Ganze reingekommen.

Was hat dir zu Beginn deiner Karriere die größten Schwierigkeiten bereitet?

Ich weiß nicht, ob man den Beginn überhaupt als Karriere bezeichnen kann. Ich glaube die größte Schwierigkeit war, mit dem Thema Computerspiele ernst genommen zu werden. Damals war es einfach so gut wie unmöglich, dass irgendwer geglaubt hätte, dass man damit Geld verdienen kann. Ich habe dann 1987 mein erstes Spiel an einen Publisher verkauft, das war am Commodore 64, und das wurde so ein bisschen ein Wendepunkt. Danach hat mein Vater aufgehört, über Computer zu schimpfen, und hat gesehen, dass man damit auch Geld verdienen kann. Das war natürlich für heutige Maßstäbe so nicht viel, aber es war trotzdem ein wichtiges Erlebnis zu sehen, dass man damit doch ein bisschen was einnehmen kann. Aber selbst in den ersten zehn, fünfzehn Jahren nach Gründung von neo Software haben Leute gefragt: „Aha und wovon lebst Du?“, wenn man gesagt hat, man macht Videospiele. Das hat sich natürlich im Lauf der Zeit geändert. Mit Tomb Raider und Moorhuhn und anderen großen Spielen, die damals bekannt geworden sind, hat es sich dann langsam geändert.

Was unterscheidet für dich einen Spieleentwickler von einem Softwareentwickler?

Spiele sind ja nur zu ungefähr einem Drittel Teil Technologie. Die anderen zwei Drittel sind hauptsächlich kreative Formen und Ausdrucksweisen. Ein Videospiel ist in erster Linie Unterhaltung und Kunstwerk, kommerziell oder nicht kommerziell. Ein Softwareprogramm ist in erster Linie Funktion. Natürlich verbinden wir mittlerweile Softwareprogramme auch mit einer gewissen künstlerischen Ausdrucksweise, weil User-Interfaces und dergleichen selbst bei Alltagsgegenständen immer schöner und immer besser werden. Aber Videospiele sind trotzdem diese Heirat von Kunst und Technologie. Und das ist etwas, was ich eigentlich besonders bemerkenswert finde, weil es nicht viele Ausdrucksformen gibt, die so sind. Architektur und Fotografie kann man damit vergleichen, und natürlich braucht man auch beim Malen Technik. Aber die Menge an Technologie, die in einem Spiel steckt, ist sehr groß. Die Menge an Kreativität ist jedoch noch deutlich größer. Und das macht doch einen großen Unterschied aus, wenn man Softwareentwickler im Spielebereich ist. Man muss verstehen, dass man in erster Form etwas für die Unterhaltungsindustrie und nicht für die IT macht.

Welches war dein liebstes Projekt?

Das ist immer eine schwierige Frage, weil in Wirklichkeit ist mein liebstes Projekt immer das, an dem ich gerade arbeite (lacht). Es ist das, in das man derzeit sein Herz hineinsteckt. Aber wenn ich jetzt so ein bisschen zurückdenke, glaube ich, mein liebstes Projekt ist noch immer Whale‘s Voyage. Das war mein viertes Spiel. Irgendwie ist es natürlich das erste Spiel, das den Grundstein legt. Aber meine ersten drei Spiele waren nicht besonders gut und auch kleiner. Es war eine ganz andere Zeit. Aber Whale‘s Voyage war meiner Meinung nach das erste, richtig gute Spiel, das ich entwickelt habe, natürlich schon gemeinsam mit anderen. Und wir haben damals noch viele Dinge gemacht, die eigentlich noch immer Grundsteine für meine Arbeit sind. Heute würde man sagen „Open World“, ja man konnte herumfliegen, man konnte die verschiedenen Städte besuchen, es war nicht linear. Und die Rollenspiel-Elemente, Strategie und Action-Elemente. Das sind alles Dinge, die mich bis heute irgendwie begleiten in verschiedenster Form und ich schaue eigentlich immer noch ganz gerne auf das Projekt zurück.

Wenn du auf deine Karriere-Entscheidungen zurückblickst, würdest du vielleicht doch irgendetwas anders machen?

Also etwas ganz anders machen würde ich wahrscheinlich nicht. Jede Karriere hat auch ihre Höhen und Tiefen. Aber letztendlich war ich immer ein Spieler und ich mag es, Unterhaltung in verschiedensten Formen zu erschaffen. Was mir an Videospielen gefällt ist, dass sich dauernd alles ändert. Jedes halbe Jahr ist anders als das davor und das war eigentlich immer so. Man wird nicht langsam, man rostet nicht ein. Natürlich würde man manchmal andere Entscheidungen treffen, wenn man wüsste, was passieren wird und was besser hätte laufen können. Aber letztendlich hat das, was geschehen ist, zu dem geführt, was ich gemacht habe und jetzt mache. Und damit bin ich im Großen und Ganzen eigentlich sehr glücklich. Ich denke auch, die Erfahrungen die weniger positiv waren, die es natürlich auch gab, haben dazu beigetragen, dass man lernt und wächst. Aus dieser Perspektive gesehen glaube ich, würde ich nichts Großartiges anders machen.

Welches österreichische Spiel hatte deiner Meinung nach großen Einfluss auf die Entwicklung des österreichischen Spielemarkts?

Also ich glaube den größten Einfluss hatte, zumindest historisch gesehen, „1869“, weil es das das erste wirklich sehr erfolgreiche Spiel aus Österreich war, das ja mit der Anno Serie weitergegangen ist. Es war vielleicht nicht das absolut internationalste Spiel und es gab später globalere Spiele, aber ich glaube, es war trotzdem irgendwie der Grundstein zu zeigen, man kann auch aus Österreich kommend große Erfolge abliefern und man muss dazu nicht einmal in der Hauptstadt oder in irgendeinem Technologiezentrum sitzen. Und deswegen glaube ich, ist es auf lange Sicht gesehen das einflussreichste oder wichtigste Spiel aus Österreich gewesen.

Ist es deiner Meinung nach heutzutage einfacher oder schwieriger als vor zehn, fünfzehn Jahren in die österreichische Spieleindustrie einzusteigen?

Das ist nicht einfach zu beantworten. In vielerlei Hinsicht ist es sehr einfach geworden heute Leute zu erreichen. Bei mir liegt das schon 29 Jahre zurück, aber da war es natürlich schwierig überhaupt jemanden zu finden, der deine Sachen veröffentlicht. Man hat Disketten durch die Welt geschickt, Österreich war nicht in der Europäischen Union, es gab Zoll, es gab natürlich hunderte Hindernisse, verschiedene Währungen und so weiter. Heute kann sich jeder einen Play Store Account anlegen und ein Spiel auf einem Handy sofort mehr oder minder dem gesamten Weltmarkt zur Verfügung stellen. Also aus dieser Perspektive ist es viel leichter geworden, zu Kunden zu kommen. Auf der anderen Seite heißt das natürlich, dass es einen viel größeren, ungefilterten Markt gibt und die Konkurrenz natürlich sehr, sehr groß ist. Denn es gibt es Hundertausende, die genau so etwas jedes Monat machen, und keinen interessiert es. Und es ist natürlich dann schwieriger, Interesse zu erzeugen und darauf auch wirklich eine Karriere aufzubauen. Aber ich glaube, wenn man etwas gerne und gut macht, dann stellt sich der Erfolg irgendwann ein. Wir hatten alle unsere Höhen und Tiefen und natürlich, wenn man neu einsteigt ist es sehr selten, dass das Erstlingswerk irgendjemanden interessiert. (lacht) Das ist aber auch völlig normal und so gesehen glaube ich, es ist zumindest gleich schwer, wenn nicht leichter heute einzusteigen.

In welche Richtung glaubst du wird sich die Spielebranche in Österreich und international weiterentwickeln.

Ich mache nicht sehr gerne Voraussagen für viele Jahre in die Zukunft. Dafür ist unsere Branche viel zu dynamisch und verändert sich zu stark. Ich habe schon vor vielen Jahren begonnen sehr stark über Livespiele, Onlinespiele, Spiele, die sich weiterentwickeln und weiterlaufen, zu reden. Das sehen wir heute im großen Maßstab. Das ist nicht mehr nur die Zukunft. Ob das nun Destiny, Hitman oder MMO‘s sind. Oder auch online Spiele auf mobilen Geräten. Das ist jetzt unser Stand in der Industrie. Ich glaube, es wird noch viel mehr werden, alles was mit dem Bereich E-Sports, Livespiele und Community zu tun hat wird sich weiter entwickeln. Und ich persönlich würde Österreich und international nicht unterscheiden, weil es eigentlich relativ egal ist, wo die Spiele herkommen. Aus den kleinsten Ländern können die größten Hits kommen. Wenn man sich zum Beispiel EVE Online aus Island ansieht, das kommt aus einem Land nur etwas größer als Graz - man kann überall etwas machen. Das ist ja auch das Schöne an der Branche. Und ich glaube, dass Multiplayer, Live, E-Sports als Lebenskultur nicht verschwinden werden. Aber natürlich kann wie immer jederzeit irgendwas Neues von der Seite kommen und unsere Welt wieder verändern.

Welche Fähigkeiten muss deiner Meinung nach jemand besitzen um in der Spieleentwicklung arbeiten zu können?

Was sehr wichtig ist, ist das Verständnis dafür, dass man bei Spielen mit sehr vielen verschiedenen handwerklichen und technischen Bereichen arbeiten muss. Es ist nicht nur eine Gruppe von Programmierern, Grafikern oder Drehbuchautoren. Man arbeitet in einem interdisziplinären, gemischten Team, egal ob es klein oder groß ist. Wenn man alleine ist, macht man im Grunde alles selbst, ist aber genauso zwischen den Disziplinen. Wenn man fünf Leute hat, macht natürlich jeder ein bisschen was Überlappendes, aber es ist immer eine bunt gemischte Gruppe. Und man muss die Fähigkeit haben, im Team zu arbeiten, das Verständnis, dass die Ansprüche und die Bedürfnisse der verschiedenen Rollen unterschiedlich sind. Und dass man nur gemeinsam ein größeres oder besseres Werk erstellen kann. Ich glaube Teamfähigkeit und das Verständnis für die verschiedenen Kunstformen und Technologien sind sehr hilfreiche Fähigkeiten im Spielebereich.

Würdest du jemanden der Spiele entwickeln möchte, empfehlen in Österreich zu bleiben oder international nach Möglichkeiten zu suchen?

Also ich persönlich glaube, das ist egal. Es ist sehr wichtig, dass man seinen Horizont erweitert. Ich würde nicht empfehlen provinziell zu denken. Das heißt aber nicht, dass man weggehen muss. Das Schöne an Österreich oder auch an Dänemark und anderen skandinavischen Ländern ist, dass sie sehr, sehr kleine Märkte sind. Man hat also praktisch keinen Heimmarkt. Das bedeutet, man muss eigentlich von Anfang an international denken. Und das halte ich für einen Vorteil. Ich glaube das ist auch der Grund, warum sich die österreicherische Spielebranche über die vielen Jahre besser entwickelt hat als die deutsche. Denn in Deutschland gab es einfach jahrelang, jahrzehntelang einen wirklich guten Heimmarkt. Nur irgendwann waren die Produktionen dann zu groß und zu teuer. Aber es hatte sich ein sehr spezifischer deutscher Spieltyp entwickelt und der war schwerer international zu vermarkten. Das gab es in Österreich selten, weil die Spiele die hier entwickelt worden sind international verkauft wurden. Anders hätte es sich einfach nicht gerechnet. Ich glaube, man muss nicht irgendwo anders hingehen. Das Wichtige ist, den Horizont zu erweitern, und es schadet nie, Erfahrung mit anderen Leuten, Kulturen und vielleicht auch Ländern zu sammeln. Das bringt natürlich schon etwas, aber das kann man auch im Rahmen des Studiums machen, es ist kein zwingender Karriereschritt meiner Meinung nach.

Du hast bereits im Gymnasium Musik für Computerspiele produziert? Wie kamst du zu dieser Gelegenheit?

Ja, meine Herangehensweise war immer schon die Kombination aus Kunst und Technologie. Ich habe zwar eine technische, mathematische Ausbildung gemacht, aber auch schon immer komponiert, wenn man mal so sagen kann, auch als Kind herumgeplänkelt und Kleinigkeiten geschrieben. Sobald ich einen Computer hatte, also schon am VC 20 ein bisschen, dann noch mehr am Commodore 64, haben mich Soundchips interessiert. Und das hat letztendlich auch dazu geführt, dass ich meine eigenen Musikroutinen geschrieben habe. Zuerst am Amiga, später am PC für die alten AdLib und Soundblaster Karten. Und die Kombination, dass ich, sage ich mal, vernünftig klingende Scores schreiben konnte und relativ vielfältig war half mir auch. Ich war nie besonders gut in einem speziellen Genre. Meine Stärke war eher immer breit gefächert zu sein, auch musikalisch, und dazu auch die Middleware geschrieben zu haben, die diese Musik dann abspielt. Das hat einige Jahre lang eine relativ große Nachfrage erzeugt. Später haben wir dann Leute gehabt, die wir dafür angestellt hatten und die das auch besser gemacht haben als ich. Aber gerade zu dieser Zeit war es wichtig, dass die Musik sehr wenig Speicher und Performance verbrauchte. Das war sozusagen meine Hochzeit in dieser Richtung und auch der Grund, warum ich damit relativ früh begonnen hatte. Es ist vielleicht interessant zu erwähnen, dass ich auch wie viele in der Branche aus meiner Generation einen Background in der sogenannten Demoszene habe und auch für die Musik gemacht habe. Also diese Computerdemos, wo du am Commodore 64, Amiga oder am PC einfache Programme geschrieben hast, die dann die technischen Möglichkeiten der Hardware ausgenutzt haben.

Du hast dein Studium abgebrochen um eines der ersten Entwicklerstudios Österreichs zu gründen. Wie waren deine Erfahrungen in dieser Zeit und wie hast du Niki Laber kennengelernt?

Also fangen wir vielleicht mit der zweiten Frage zuerst an, weil es letztendlich zur Gründung geführt hat. Ich habe neben der Schule als Freelance-Programmierer meine ersten Spiele und Musik für Spiele gemacht und auch an einer Computerschule in Wien unterrichtet. Die hieß Computerschule Donauzentrum. Dort war auch Niki Laber Trainer. Kennengelernt haben wir uns weil wir beide Trainer waren und ich unter anderem auch Programmieren unterrichtet habe. Das waren auch Spezialkurse für Assembler und Niki hatte damals ebenfalls ein Buch über Amiga Assembler Programmierung geschrieben und hat auch selbst mit Silverbyte sozusagen erste Schritte in Richtung Publisher und Entwickler gemacht. Und für die habe ich auch Musik gemacht. Und so sind wir mehr und mehr zusammengekommen. Und dann kam irgendwann nach meinem dritten Spiel der Zeitpunkt, an dem ich mich entscheiden musste: Aufhören mit Videospielen und irgendetwas Traditionelles machen in der IT. Oder den Schritt wagen ins Ausland zu gehen, was damals noch viel notwendiger war als heute. Weil es gab zu der Zeit in Österreich keine Möglichkeit Spiele zu entwickeln. Da hätte ich eigentlich nur nach Frankreich oder nach England gehen können und der Gedanke hat mich nicht sehr motiviert. Und dann hat sich plötzlich die dritte Möglichkeit eröffnet: Gründen wir doch gemeinsam was. Letztendlich haben wir neo Software gegründet, um in Österreich zu bleiben und trotzdem weiter das zu machen, was wir machen wollen. Viel Geld hatten wir nicht, als wir begonnen haben. Es war unser erster Versuch und dann hatten wir Glück, dass unser erstes Spiel, Whale‘s Voyage, doch recht erfolgreich war. Und das hat dann den Grundstein gelegt dafür, dass die Firma weiterwachsen konnte.

Als 2006 Rockstar Vienna, das damals größte Entwicklerstudios Österreichs geschlossen wurde, war dies ein großer Schock. Gleichzeitig markierte dies den Start einer Zeit in der viele kleine Entwicklerstudios gegründet wurden. Wie siehst du diese Entwicklung im Nachinein?

Also ich glaube, das war für die österreichische Branche sehr gut und sehr interessant. Ich weiß, dass wir damals recht dominant waren, auch aufgrund der Lage in Wien und damals konnte man praktisch sonst nur nach Ebensee oder nach Schladming gehen, wenn man etwas machen wollte. Und da war vielleicht auch ein bisschen zu wenig Unternehmergeist im Land. Es gab natürlich auch damals schon andere Firmen wie Sproing oder Greentube zum Beispiel, die jetzt zu Novomatic gehören. Und es haben auch ehemalige Mitarbeiter von neo andere Firmen gestartet, wie zum Beispiel Rabcat. Und waren auch erfolgreich und wir haben auch teilweise zusammengearbeitet. Aber natürlich war dann nach der Schließung eine große Menge an sehr talentierten Leuten da und daraus sind viele wirklich interessante Dinge entstanden. Einige haben sich in der Welt verstreut, andere sind auch wieder zurückgekommen. Viele internationale Mitarbeiter die wir nach Wien geholt hatten, sind geblieben. Und auch andere Dinge, wie die nucl.ai, die Game/AI-Conference sind zu dieser Zeit begründet worden. Also ich glaube, das war schon ein ganz guter Katalysator dafür, dass sich etwas mehr tut. Aber man darf nicht vergessen, dass wir in Österreich auch wirklich sehr große Player haben. Weil wenn man sich z.B. die Novomatic Gruppe ansieht, die ist sowohl vom Umsatz, als auch der Mitarbeiterzahl größer als Electronic Arts. Natürlich machen die den meisten Umsatz im Glückspielbereich, aber sie haben auch ein großes Standbein im elektronischen Gaming und Gambling. Man darf nicht unterschätzen, was sich auch außerhalb des ehemaligen AAA-Bereichs in Österreich tut.

Ist dir die Entscheidung zu Io-Interactive zu wechseln und damit im Ausland zu arbeiten leicht gefallen? Welche Faktoren haben deine Entscheidung beinflusst?

Also leicht gefallen ist es mir nicht. Ich war damals prinzipiell nicht unglücklich bei Deep Silver und ich war auch sehr zufrieden mit den Projekten, die wir gemacht haben. Aber wir hatten einfach strategisch verschiedene Auffassungen, wie man das Publishing weiterführen sollte, wie sich das Gesamtunternehmen entwickeln sollte. Und das war dann letztendlich der Grund, warum ich dieses Angebot hier angenommen hatte. Es war auch spannend, das erste Mal für eine Firma zu arbeiten, die ich nicht selber gegründet hatte. Und auch sehr furchteinflößend. (lacht) Auch wenn man eine Firma verkauft und sie verändert sich dann natürlich, hat sie immer ein bisschen von der eigenen DNS. Das ist natürlich nicht der Fall, wenn man woanders hingeht, vor allem nicht zu einer etablierten Firma, die es schon lange gibt, die auch eine sehr starke Identität hat und auch aus der Demoszene kommt. Im Ausland zu arbeiten war eher der größte Faktor, es nicht zu machen. Aber ich habe meine Entscheidungen eigentlich immer nach den Projekten und Leuten gefällt und ich arbeite sehr gerne an Hitman. Und da haben einfach ein paar Sachen gut zusammengepasst. Dadurch bin ich dann hier gelandet.

Selbst warst du in deiner Karriere immer umgehend in Führungspositionen. Würdest du deinem „22-jährigen Ich“ nochmals dazu raten, immer sofort eine Management Position zu übernehmen?

Das kann man so nicht sehen. Wenn du eine Firma startest bist Du automatisch in einer Führungsposition, auch wenn Du nur zu zweit oder zu dritt bist, obwohl das noch lange keine Managementrolle ist. Ob du jetzt das Klopapier für das Büro kaufst oder die Architektur für deine Game-Engine aufstellst, das sind alles Dinge, um die du dich kümmern musst. Ich hatte nie die Ambition: „Ich werde jetzt Manager.“ Das ist eigentlich immer aus der Notwendigkeit heraus entstanden, dass es ja wer machen muss. Und wir haben anfangs auch hauptsächlich Leute aufgenommen, die fachlich einfach sehr gut waren. Und idealerweise deutlich besser als wir selbst. Das ist gerade am Anfang sehr schwer. Wenn man jung ist, jemanden dann die Sachen zu übergeben oder anzuvertrauen, die man selber gemacht und aufgebaut hat, das ist ein großer Schritt. Und in den Jahren war ich dann natürlich auch dumm und naiv und viel zu sehr ein Micro-Manager und viel zu wenig ein richtiger Manager. Das habe ich im Lauf der Jahre natürlich gelernt, aber immer aus der Notwendigkeit heraus, weil man kann kein 200 Mann Unternehmen und ein Projekt mit 2.500 Leuten führen, wenn man micro-managed, das ist vollkommen unmöglich. Das muss man aber auch erst lernen. Bei mir ist immer das Ziel im Vordergrund gestanden, Spiele zu machen und Spiele zu verkaufen und damit die Leute zu unterhalten. Alles andere waren dann nur die Mittel zum Zweck. Darum hatten wir uns auch aufgeteilt, Niki hatte sich mehr um die Finanzen, Verwaltung und den Verkauf gekümmert und ich mich um die Entwicklung. Ich steckte eigentlich immer tief in den Projekten. Das ist hier bei IOI nicht viel anders, aber natürlich gibt es zahlreiche andere Bereiche, um die ich mich auch kümmern muss. Und selbstverständlich kann ich nicht mehr der Producer von jedem einzelnen Projekt sein. Aber das war immer eine Konsequenz und kein Ziel. Also wenn ich zurückgehen würde, könnte ich es mir nicht ausreden, weil ich es eigentlich niemals angestrebt habe. (lacht)

Entwicklerstudios waren unter den ersten Unternehmen die sich mit einem Webauftritt repräsentierten. Inwiefern hatte dies deiner Meinung nach Auswirkung auf die Wahrnehmung der Branche von außerhalb?

Videospiele waren schon immer technikaffin. Und da war das Web keine Ausnahme. Ich glaube nicht, dass es eine grundlegende Auswirkung auf die Wahrnehmung der Branche hatte. Allerdings haben einige Spielestudios davon profitiert, in den frühen Jahren auch Weblösungen anzubieten, da sie damit als einige der Ersten Erfahrung gesammelt haben. Das war im Übrigen auch bei uns der Fall.


Niki Laber

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Niki Laber wurde 1970 geboren. Er studierte Kommunikationswissenschaften an der Uni Wien und hat das Studium mit einer Dissertation abgeschlossen. Mit 18 Jahren veröffentlichte er sein erstes Buch zum Thema Assemblerprogrammierung. Er war Mitgründer von neo Software, die später als Rockstar Vienna für internationale Spiele Hits wie GTA und Max Payne verantwortlich war. Niki Laber ist derzeit Präsident des Österreichischen Verbandes für Unterhaltungssoftware (ÖVUS) und in dieser Position Branchenvertreter der Österreichischen Computerspielebranche.
Das Interview wurde am 14. Dezember 2016 in Wien mit einem Smartphone aufgezeichnet.

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Was war deine Motivation dich für die Spieleentwicklung zu engagieren?

Als ich meinen ersten Computer, einen C64, erhalten habe, war mir klar, dass die Computerspieleindustrie mein Berufsziel ist.

Was hat dir zu Beginn die größten Schwierigkeiten am Spiele entwickeln bereitet?

Eigentlich war die größte Hürde damals, dass wir rechtlich eine eigene Firma gründen durften. Heute ist es verhältnismäßig leicht, sich als Jungunternehmer selbstständig zu machen, damals war es jedoch ein wirkliches Problem.

Was unterscheidet für dich einen Spielentwickler von einem traditionellen Softwareentwickler?

Spiele entwicklen macht einfach wesentlich mehr Spaß als die Programmierung von Datenbanken (lacht). Aber ehrlich gesagt, wir haben uns nicht viele Gedanken dazu gemacht, irgendwie habe ich gefühlt, dass es für mich der richtige Weg ist.

Welches war dein liebstes Projekt und wieso?

Eigentlich macht man alle Projekte gerne. Aber rückblickend war die Rockstar Zeit sicherlich die Schönste. An weltweiten Blockbustern mit großen Budgets in einem internationalen Konzern mitzuarbeiten ist einfach eine spannende und fordernde Aufgabe.

Würdest du rückblickend die gleichen Entscheidungen bezüglich deiner Karriere treffen?

Im Wesentlichen schon. Natürlich gibt es immer Kleinigkeiten die man vielleicht anders machen würde, aber grundsätzlich würde ich im Wesentlichen die gleichen Entscheidungen treffen. Auch wenn es manchmal schwierige Zeiten in der Industrie gab, bereue ich es nicht.

Welches österreichische Spiel hat deiner Meinung nach großen Einfluss auf die Entwicklung des österreichischen Spielemarkts gehabt?

Ich glaube die Spiele von Max Design waren damals ziemlich ausschlaggegeben. Begonnen hat es schon relativ früh mit „1896“, welches für die damalige Zeit ziemlich wegweisend war. Erstmals ist es einer österreichischen Firma gelungen einen internationalen Hit zu produzieren.

Ist es deiner Meinung nach zurzeit einfacher oder schwieriger in die österreichische Spieleindustrie einzusteigen als vor 20 Jahren?

Eindeutig schwieriger. Es ist am ehesten vergleichbar mit der Plattenindustrie, z.B. Thema Austropop. Viele der damaligen Stars waren kommerziell sehr erfolgreich und haben sich bis heute gehalten – heute funktioniert das Musikbusiness anders – um heute erfolgreich zu sein muss man komplett neue Wege beschreiten. Beispiel Bill Gates: Er konnte damals mit MS Dos den Markt erobern – heute würde dieses Betriebssystem nicht einmal mehr als Open Source Projekt interessant sein. Gerade unsere Industrie ändert sich laufend. Mit dieser Geschwindigkeit mitzuhalten sehe ich auch als Herausforderung.

Wohin glaubst du, wird sich die Spielebranche in Österreich beziehungsweise international weiterentwicklen?

Ich sehe das ein bisschen zwiespältig, wir machen keine Spiele nur für den österreichischen Markt - wir machen Spiele für den Weltmarkt. Der Markt ist global und genauso muss man bereits bei der Entwicklung denken.

Welche Fähigkeiten muss deiner Meinung nach jemand besitzen um in der Spieleentwicklung arbeiten zu können?

Das Wichtigste ist, den „Biss“ und die „Motivation“ zu haben. Dann ist es im Prinzip egal, ob man Programmierer, Grafiker, Designer oder was auch immer ist. Es gibt sehr viele Jobs in unserer Industrie, die nicht auf die reine Entwicklung beschränkt sind. Ebenso kann man in der Spielebranche auch als Produktmanager oder Verkäufer beginnen. Möglichkeiten gibt es genug. Wichtig ist, dass man sich für die Branche und deren Produkte interessiert und dass man in diesem Bereich eben auch fachlich gut sein sollte. Wenn ich, bespielsweise nicht programmieren kann aber unbedingt Programmierer werden will, wird es schwierig. Was die Ausbildungen betrifft, gibt es, im Gegensatz zu früher, heute diverse Möglichkeiten – das Spektrum erstreckt sich von Universitäten über Fachhochschulen bis zu privaten Anbietern, die eine breite Vielfalt an Kursen anbieten.

Würdest du jemandem, der Spiele entwickeln möchte, empfehlen in Österreich zu bleiben oder international nach Möglichkeiten zu suchen?

Es ist, mehr denn je, im Wesentlichen egal wo du sitzt, weil viel über das Internet abgewickelt wird. Wir haben in der Vergangenheit nach der Rockstar Zeit unser Businessmodell umgestellt und hauptsächlich auf Outsourcing gesetzt. Von Peru bis Shanghai, haben unsere Partnerfirmen mit uns an diversen Projekten gearbeitet. Wo sich letztendlich das physische Büro befindet, ist nicht mehr so relevant. Trotzdem, für den Einzelnen ist es ein enormer Vorteil, wenn man internationale Erfahrung nachweisen kann.

Du hast mit 18 Jahren bereits ein Buch für Assembler geschrieben. Wie kam es dazu?

Ich war damals in der Programmierung noch nicht so weit, dass ich alleine ein komplett eigenes Spiel entwickeln konnte. Dann kam mir die Idee, weil ich mich damals sehr in die Assembler Programmierung hineingesteigert hatte, aufgrund fehlender Fachbücher, einfach selbst eines zu schreiben. Die meiste Literatur war damals in Englischer Sprache und das Internet gab es noch nicht in der heutigen Form. Deutsche Fachliteratur war spärlich und deshalb war es für mich die logische Konsequenz, meine persönlichen Erfahrungen zu Papier zu bringen. Ich hatte damals zudem das Glück, auf Anhieb einen sehr guten, internationalen Verlag gefunden zu haben. Mein Buch hat sich, für damalige Verhältnisse auch ziemlich gut verkauft.

Du warst von Beginn an bis zur endgültigen Schließung im Jahr 2006 bei Neo Software/Rockstar Vienna dabei. Wie schließt man persönlich mit so einem Ereignis (Anm. die überraschende Firmenschließung) ab, wenn solch eine Ära zu Ende geht?

Grundsätzlich betrachtet muss ich dazu ein wenig ausholen: Wenn man die eigene Firma verkauft, muss klar sein, dass man in Zukunft kein Mitspracherecht mehr hat. Will man dies nicht, darf man nicht verkaufen. Hätten wir diesen Schritt damals jedoch nicht gemacht, wären wir vielleicht heute noch eigenständig, aber wir hätten nie an weltweiten Top-Titeln mitarbeiten können. Ohne einen großen, potenten Partner und ohne dessen Ressourcen ist es schwer einen weltweiten Hit zu landen. Um wirklich weltweit mitzuspielen bedarf es mehr als nur die Entwicklung des Produkts. Marketing und Vertrieb sind nicht minder essentiell. Wir hatten das Glück, in der New Economy am Höhepunkt mitzuschwimmen und deshalb würde ich auch heute noch diese Entscheidung treffen. Andererseits, ja natürlich, es ist nicht zufriedenstellend, wenn das eigene „Baby“ plötzlich geschlossen wird. Letztendlich war es jedoch nicht unsere Arbeit, die den Ausschlag zur Schließung gegeben hat sondern es war eine reine Entscheidung bedingt durch die Gesetze der internationalen Börse.

Nach Rockstar hast du dich mit ÖVUS eher einer Seite zugewandt, die versucht, Spiele der Öffentlichkeit nahezubringen, beziehungsweise die Verwaltungsabläufe zu erleichtern. Ist es deiner Meinung nach gelungen oder muss deiner Meinung nach noch mehr in diesem Feld getan werden?

ÖVUS wurde ein Jahr nach der Schließung gegründet und ist der österreichische Branchenverband in dem sich Sony, Microsoft, Nintendo, Ubisoft und Electronic Arts zusammengesetzt haben, um gemeinsam die Branche zu vertreten. Der Auslöser war damals ein News-Artikel, auf dessen Cover ein Kind im Tarnanzug und mit Maschinengewehr abgebildet war. Der Artikel handelte von Killerspielen und auf den sechs bis acht Seiten des Artikels kam kein Einziger Industrie-Vertreter zu Wort sondern irgendwelche selbsternannten Experten. Das war der ausschlaggebende Grund, weshalb wir beschlossen haben eine Vertretung offizielle Branchenvertretung zu gründen. Gemeinsam haben wir als Verein einiges in Österreich bewegt. Unter anderem haben wir die PEGI-Alterskennzeichnung für Computer- und Videospiele im Wiener Jugendschutzgesetz maßgeblich veranlasst sowie den Grundstein für die Wiener Game-City gelegt. Diese hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem Superevent mit mehr als 70.000 Besuchern entwickelt. Gerade in der jetzigen Zeit, wo nahezu jedem Amokläufer virtuelles Training mittels Computerspielen unterstellt wird, ist es wichtig, Aufklärung zu betreiben. Trotz aller Popularität von Ego-Shootern, ist es in Wahrheit jedoch so, dass eines der meistverkauften Spiele, die Sims-Reihe von Electronic Arts ist. Gespielt wird dieses Spiel von knapp 60 Prozent Frauen oder Mädchen. ÖVUS ist es ein Anliegen, dass die Fakten einfach objektiv betrachtet werden.


Peter Melchart

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Peter Melchart wurde 1970 geboren. Er absolvierte eine Höhere Technische Lehranstalt und begann ein Informatikstudium an der Technischen Universität Wien. Er arbeitete unter anderem an mehreren Titeln von Neo Software und Rockstar Games und ist zurzeit Team-Lead bei Greentube.
Das Interview wurde am 12. Dezember 2016 in Wien mit einem Smartphone aufgezeichnet.

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Was war deine Motivation dich für die Spieleentwicklung zu engagieren?

Ich hatte damals einen VC 20 und weil es kaum Spiele gab, oder zumindest konnte ich mir keine leisten, habe ich begonnen die Dinger selber zu machen. Das hat sich dann von dem VC 20 zu einem Amiga gesteigert, sodass ich sehr viel Interesse an den grafischen Programmierungen entdeckt habe. Das wollte ich einfach machen und das Umfeld der grafischen Programmierung war entweder Demo-Szene oder eben Spiele. Ich habe gerne gespielt, deswegen hat sich das damals nach einem vernünftigen Weg angehört.

Was hat dir die größten Schwierigkeiten bereitet als du begonnen hast an Spielen zu arbeiten?

Informationen zu bekommen, also das ist ja heutzutage nicht wirklich vorstellbar, weil es ja das Internet gibt. Aber eine einfache Information zu bekommen, wie man einen Rasterizer am besten macht um eine 3D Grafik perspektivisch korrekt zu zeichnen, dazu musstest du in die Bibliothek gehen und Bücher finden und mal wissen, welches Buch denn dazu hilfreiche Funktionen haben könnte. Dann war dann auch ganz interessant, dass es auf der Uni den Professor Gläser gab, der hat eine Fast-CG-Vorlesung gehabt, bei der ich mitgemacht habe und er hat uns auch Informationen zukommen lassen. Aber einfachste Probleme zu lösen, wie zum Beispiel einen Rasterizer am Amiga mit dem Blitter, der ein billiges Polygon fillen konnte, war schon schwer. Da bin ich echt nächtelang gesessen, um erst auszutüfteln wie das funktioniert. Es war natürlich super, weil ich habe das selber gelöst, aber heutzutage gehst du auf Google und hast drei Minuten später die Lösung. Es dauerte vieles einfach länger, weil man es sich eben selber erarbeiten musste. Aber trotzdem würde ich diese Zeit nicht missen wollen, da das sicher erfahrungstechnisch Vorteile gebracht hat.

Was unterscheidet für dich einen Spielentwickler von einem traditionellen Software Entwickler?

Für mich liegt der Unterschied darin, dass der Themenbereich viel breiter gestreut war. Also Spieleprogrammierung heißt ja jetzt nicht nur, dass ich meine Game-Logik mache, sondern es war eben Grafikprogrammierung, Soundprogrammierung, Gameprogrammierung, AI-Programmierung, Tools-Programmierung aber auch Front- und Backend. Es fällt sehr viel in das Thema Spieleprogrammierung wodurch es sehr abwechslungsreich ist. Das gibt es wahrscheinlich sonst nicht so. Man könnte es wahrscheinlich mit der Web-Entwicklung vergleichen, die ebenfalls ein Front- und Backend hat, aber die Spieleprogrammierung ist doch sehr, sehr umfassender.

Welches war dein liebstes Projekt an dem du gearbeitet hast?

Das ist echt schwer. Das Projekt mit dem größten Prestige war natürlich Max Payne 2. Das war aber auch das Projekt mit der absolut ärgsten Arbeitszeit und ich möchte wahrscheinlich an so einem Projekt nie wieder arbeiten. Es gab dann tatsächlich bei Xendex so mobile Spiele, bei denen wir alles von Anfang bis Ende selbst gemacht haben. Konzept, Mechanik, es kam alles aus unserer Hand. Mit diesen Projekten kann ich mich eher identifizieren. Währenddessen bei so Dingen wie Max Payne, da waren dann 20 Programmierer, und alle Disziplinen wie Programmierung oder Game Design waren separiert. Von dir selbst war dann kaum noch Game Input da, was schade war. Es ist schwer zu sagen welches mein liebstes Projekt war, aber wenn ich es aufteile in Prestige und Herzblut würde ich es so machen.

Wenn du auf deine Vergangenheit zurückblickst, würdest du die gleichen Entscheidungen bezüglich deiner Karriere treffen oder doch irgendwo dich jetzt anders entscheiden, als du dich entschieden hast?

Das ist eine Frage die man sich immer stellt und ich kann das auch gar nicht so wirklich beantworten. Die Themen waren natürlich super und prinzipiell die Art, wie die Branche funktioniert. Es ist anders als bei dem trockenen Themen wie Banken oder ähnliche Dinge. Was damals eben die Hauptauswahl war, entweder man geht in die Industrie oder Spiele, so Web-Entwicklung in dem Sinn, gab es ja damals noch nicht. Wahrscheinlich zum damaligen Zeitpunkt hätte ich es wahrscheinlich wieder so gemacht. Wenn ich jetzt heute die Wahl hätte, bin ich mir nicht mehr ganz so sicher. Vor allem auch im Hinblick auf die teilweise nicht unbedingt menschenfreundlichen Arbeitsmethoden.

Welches Spiel hat deiner Meinung nach großen Einfluss auf die Entwicklung des österreichischen Spielmarktes gehabt?

Für mich war die Anno Serie von Max Design immer sehr beeindruckend, die gibt es jetzt immer noch. Auch wenn es jetzt andere Leute gemacht haben, aber die Anno Geschichte fand ich schon damals sehr beeindruckend. Das waren aber auch nur zwei oder drei Leute, die das gemacht haben. War sicherlich für viele ein Meilenstein. Von Neo fand ich den Clou 1 und 2 sehr, sehr gut. Dann war da noch ein gecanceltes Projekt, das wäre wirklich der Hammer gewesen, aber das kann man halt heutzutage nicht mehr sagen, da ist noch immer die NDA. Dann natürlich diese riesen Projekte von Rockstar, die waren für die Szene speziell in Wien einfach sehr wichtig, weil das sehr vielen Leuten Arbeit gebracht hat.

Ist es deiner Meinung nach zurzeit einfacher oder schwieriger, als vor zehn / 15 Jahren in der österreichischen Spieleindustrie anzufangen?

Es ist sicher leichter anzufangen. Du kannst dich zu Hause hinsetzen und machst irgendeine App. Mach das Mal auf einer Konsole, sowas geht halt nicht. Die PC-Spiele damals, die waren natürlich ähnlich wie die Apps, da hat man auch mit zwei oder drei Leuten ein Spiel machen können. Also ich glaube es ist heutzutage schon leichter. Aber der Erfolg ist eine andere Geschichte, erfolgreich wird man sicher nicht leichter. Der Markt ist viel größer, es gibt viel mehr Konkurrenz. Damals waren Projekte mit 80.000 oder 100.000 verkauften Stücken ein super Erfolg. Heutzutage ist das ein super Flop.

Wohin glaubst du, wird sich die Spielebranche in Österreich und international weiterentwicklen?

Was ich wirklich als eine katastrophale Entwicklung sehe, seitdem Apps ein Thema sind, sind die ganze Free-to-Play Geschichten, die halt wirklich viele, viele Spiele erst ermöglichen, das ist schon richtig. Aber die Art und Weise wie da Spieler behandelt werden oder wie man sozusagen dressiert wird, ist nicht meines. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Es ist ziemlich toll, aber das Free-to-Play ist wirklich etwas, was Kindern teilweise das Geld aus den Taschen zieht. Und ich habe schon lieber diese Variante mit, ich bezahle ein Mal, von mir aus 50 Euro und kann das dann spielen so lange ich will. Diese Free-to-Play Schiene ist etwas, das wahrscheinlich eine große Zukunft hat. Es ist ja schon eine große Gegenwart, aber es wird sicher auch in der Zukunft interessant sein.

Was für Fähigkeiten muss deiner Meinung nach jemand besitzen, um in der Spielentwicklung arbeiten zu können?

Man sollte ein breites Interesse an unterschiedlichsten Themen haben. Es ist heute noch immer so, wenn du ein Spiel machen möchtest stößt du irgendwann auf ein Problem das du noch nicht kennst. Dann musst du dich reintigern, etwas neues lernen und eine Lösung finden. Eine Woche später das Gleiche, eine Woche später das Gleiche, du hast einfach so viele unterschiedliche Aspekte, die in ein Spiel fließen, dass du einfach nur mit Standard Software Engineering nicht so weit kommst. Du brauchst Interesse am Spiel, um ein Gefühl zu haben, was dir Spaß macht, was den anderen Spaß macht. Wenn du in einem großen Team für die Shader Programmierung zuständig bist, dann machst du halt Shader und das war es. Aber wenn du jetzt alleine etwas machst, dann musst du viele breite Bereiche abdecken und das heißt, du musst in sehr vielen Bereichen Interesse haben. Da musst du dich selber entscheiden, möchtest du in einem großen Team arbeiten, dann kannst du dich etwas fokussieren und hast wahrscheinlich eher das, was du weißt und mit dem kannst du arbeiten. Wenn du in einem kleinen Team arbeitest, musst du wahrscheinlich mehr lernen und unterschiedliche Themenbereiche abklopfen.

Würdest du jemanden der Spiele entwickeln möchte, empfehlen in Österreich zu bleiben oder auch international nach Möglichkeiten zu suchen?

International wahrscheinlich. Wenn ich keine Familie hätte, hätte ich wahrscheinlich mir eher etwas international gesucht. Ich kann mit meinen Kindern nicht dauernd irgendwo hinziehen, ich bin sozusagen gefangen in Wien, aber es gibt wirklich viel mehr schlechtere Plätze, wo man gefangen sein kann. Aber natürlich wäre England, Kanada oder Deutschland durchaus interessant. Die haben dort gute Themen, große Firmen, die dort wirklich gute Produkte machen. In Österreich sind halt eher die kleinen Produktionen. Wenn man bei den großen mitarbeiten möchte, dann hat man wohl keine andere Wahl als dorthin zu gehen. Es wird noch länger dauern, bis bei uns sich wieder mal so eine riesen Bude etablieren kann, die mit einem Budget von 100 Millionen Dollar einen riesen Titel machen kann und das Marketing dazu auch noch stemmen kann. Das ist bei uns eher momentan nicht der Fall.

Du hast noch während deines Studiums bei Neo Software zu arbeiten begonnen, wie kam es dazu?

Damals habe ich mit meinem Kollgen, den Chris, mit dem ich in der Klasse war, nebenbei in der Demoszene ein bisschen ausgetobt. Und da gab es auch dann unter anderen einen Grafiker, den Peter Baustädter, der zufällig Gründungsmitglied war von Neo. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, ob das dann über ihn ging, aber ich vermute mal, dass wir den Hannes kennengelernt haben. Er hatte damals noch Vorträge in so einer IT-Schule im Donauzentrum gehalten und da habe ich ihn besucht und da kam es dann so, dass der Chris, weil er schon ein Jahr vorher mit der Schule fertig war, begonnen hat für ihn zu arbeiten. Ich habe dann über den Chris begonnen für den Clou 1 die Grafik Engine zu machen für den PC. So hat sich das ergeben und dann kam halt ein Projekt nach dem anderen wie Der Clou! 2 und Whale’s Voyage 2.

Was hat sich deiner Meinung nach zwischen den Rockstar Zeiten in Österreich und jetzt in der Branche so verändert?

Da sind wahnsinnig viele Firmen aus dem Boden geschossen.Team Vienna, Mi´pu´mi, Tupalo und noch viel mehr. Tupalo ist keine Spielfirma, aber egal, das sind alles Firmen, die von Ex-Mitarbeitern von Rockstar gegründet wurden. Es gab dann einfach so viel Know-How das von unterschiedlichen Leuten in unterschiedlichen Projekten umgesetzt wurde. Einige der Projekte gibt es nicht mehr. Andere gibt es immer noch. Aber es hat schon sicherlich viel gebracht. Der Schock war am Anfang groß, aber im Endeffekt kann man sagen, es war durchaus gut.

Nachdem Rockstar geschlossen wurde, hast du dich, wie einige andere auf die Mobile Games Branche fokussiert. Worin lag für dich der Reiz, genau ab dann jetzt dich für Mobiles zu interessieren?

Der Reiz war am Anfang überhaupt nicht da, muss ich sagen. Ich habe mir gedacht, die Telefone können nichts. Dann hat mich aber der Gottfried, der damals schon zu Xendex gewechselt ist, eingeladen, ich soll mir doch mal anschauen, was sie so machen und was schon geht. Da habe ich mir gedacht, was kann da schon gut gehen. Dann haben sie mir aber gezeigt, auf einem Sony Ericsson K750 war das glaube ich, in einer Mascot Capsule 3D Engine eingebettet, wie gut das performt. Die hatten da ihre 20 FPS und haben einen 3D Buggy drauf laufen lassen und da war mir klar, da geht jetzt echt was, das ist jetzt ein guter Zeitpunkt zu wechseln. Man ist nicht nur auf diese 2D Spiele die es früher gab, Solitär zum Beispiel, begrenzt. Das war wirklich grafiklastig und da war wirklich sehr viel möglich. Es war eine gute Entscheidung, da dann auch zufällig so, dass ein Jahr später dann das iPhone rausgekommen ist und die ganze Android Schiene startete. Das war einfach vom Timing her ganz, ganz praktisch. Es hätte schlechtere Timings geben können als zu dem Zeitpunkt in die Mobile-Branche zu wechseln.

Zurzeit arbeitest du bei Greentube, eine Firma mit mehreren Hundert Mitarbeitern, liegt dir die Arbeit in so großen Firmen eher oder nicht?

Es hat Vor- und Nachteile für eine große Firma zu arbeiten. Die Stabilität ist in einer großen Firma eher gegeben. Was natürlich jetzt für mich mit Familie ein wichtigerer Faktor ist, als es früher war. Früher wäre mir das relativ egal gewesen. Die Thematik ist jetzt nicht unbedingt etwas, das mich warm ums Herz werden lässt, aber die Art und Weise, wie wir arbeiten können, gefällt mir. Die Arbeit gefällt mir und die Spiele, spiele ich halt nicht, weil ich habe nie Glücksspiele gespielt, das hat mich einfach nie interessiert. Aber die Leute und das Team und die Art und Weise, wie wir arbeiten, finde ich echt nett. Ich hätte auch kein Problem mit einer kleineren Firma, wenn ich das Gefühl hätte, dass es nicht wieder in einem halben Jahr vorbei ist. Ein Start-up mit einer großen Unsicherheit interessiert mich nicht mehr.